Ein Wort nach dem anderen

Kategorie: Fussball (Seite 2 von 5)

Sanfrecce Hiroshima vs. FC Tokyo 1:0

Nach dem im Saiten erschienen Artikel, der meine Fussballerlebnisse in Japan zusammengefasst hat, erschien heute der erste Spielbericht auf dem Blog “Zum Runden Leder”. Zwei weitere Spielberichte folgen.

Anreise
Auf dem Weg zum Stadion ist die grösste Hürde gleich zu Beginn zu meistern: Die Astram-Linie die direkt zum Stadion führt, startet an der Station „Hondori“. Auf den gleichen Namen hört eine Haltestelle der Strassenbahn, die den Hauptteil des öV im Stadtzentrum zu schlucken scheint. Wer davon ausgeht, dass es sich dementsprechend um die gleiche Haltestelle halten müsse, der wird umherirren. Wenn man aber mal erkannt hat, dass die gesuchte Haltestelle unter der Erde liegt, ist der Weg zum Stadion ein Klacks und dauertetwa 36 Minuten (das Wort „etwa“ scheint im japanischen öV nicht zu existieren). Bei der Station „Koiki-koen-mae“ angekommen, wäre das Stadion in wenigen Minuten zu Fuss erreichbar. Der Verein stellt jedoch Shuttlebusse, an deren Benützung man kaum vorbeikommt, weil von so vielen in Vereinsfarben gekleideten Personen der Weg dorthin gezeigt wird. Eine englische Wegbeschreibung gibt’s hier.

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Stadion
Sanfrecce Hiroshima trägt seine Heimspiele im Hiroshima Big Arch aus. Der Name lässt darauf schliessen, wie das Stadion aussieht. Ein grosser Bogen prägt die Haupttribüne, an welchem auch Teile der Beleuchtung angebracht sind. Warum das Stadion früher Hiroshima Park Main Stadium hiess, erschliesst sich dem Besucher – zumindest nachts – nicht. Warum es jetzt eigentlich Edion Stadium heisst hingegen schon, wenn man die Werbeplakate betrachtet. Beim Ticketkauf wählt man lediglich eine Kategorie aus, danach darf man sich seinen Platz selber aussuchen. In unserem Fall hiess das für um die 30 Franken auf der Gegentribüne Platz nehmen. Die beiden Fanlager befinden sich in den beiden Hintertorkurven, leider beide etwas mehr in Richtung Gegengerade, wodurch uns ein optimaler Blick auf die beiden Lager leider verwehrt blieb. Rund ums Feld verläuft eine der ungeliebten Laufbahnen.

Atmosphäre
Fussball ist auch in Japan beliebt. Oft steht es aber hinter Baseball nur an zweiter Stelle. So scheint es auch in Hiroshima zu sein. Während sich das lokale Baseball-Team hoher Beliebtheit erfreut, verirren sich zum Meister der letzten beiden Jahre gerade mal gut 12‘000 Zuschauer. Während ein beträchtlicher Teil davon vor allem damit beschäftigt ist, allerlei Speisen zu verzehren, befinden sich hinter den beiden Toren echte Stimmungsblöcke. Aus der Hauptstadt sind rund 200 Fans angereist, im Heimbereich machen rund 2‘000 Menschen ordentlich Lärm. Was auf den ersten Blick auffällt: Vieles ist kopiert. Es entsteht eine Mischung aus meist europäischen Melodien und einigen südamerikanischen Stilelementen. So hört man bekannte Melodien und sieht Zaunfahnen, die man so (oder zumindest so ähnlich) auch in anderen Ländern schon gesehen hat. Das Highlight hängt dabei auf der Seite von Hiroshima: Commando Viola Ultra‘ Curva Ovest. Den Gästen aus Tokyo hätten wir dank ihrer Melodien eigentlich etwas mehr Originalität attestiert, das vor der Partie gesungene „You’ll never walk alone“ lässt das aber leider nicht zu.

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Spiel
Eigentlich sollte die Begegnung ganz anständigen Fussball bieten. Die Gäste aus Tokyo bewegen sich zwar nur im Mittelfeld der höchsten japanischen Liga, der Gastgeber aber konnte in den letzten beiden Jahren die Meisterschaft gewinnen. Man merkts der Einleitung an, so gut war der Fussball nicht. Hiroshimas Trainer Moriyasu liess nur einen nominellen Stürmer auflaufen. Zwei der sechs aufgestellten Mittelfeldspieler schienen zwar eine offensive Rolle einnehmen zu wollen, die Verteidiger passten sich aber meist lieber zuerst gefühlte hundert Mal gegenseitig den Ball zu, bevors einige Meter nach vorne ging. Tokyo versuchte zwar offensiver zu agieren, waren aber zu wenig im Ballbesitz um das wirklich in die Tat umzusetzen. Chancen blieben entsprechend Mangelware, obwohl der Schiedsrichterassistent tatkräftig mithalf und in der ersten halben Stunde die Anwendung der Abseitsregel konsequent verweigerte. Hiroshimas Coach schien sich mit dem Unentschieden anfreunden zu können: er wechselte gegen Ende des Spiels sogar seinen einzigen nominellen Stürmer aus. Die Mannschaft aber wollte dann doch noch etwas mehr zeigen. In der 80. Minute verwertete Chiba – ein Verteidiger – nach einem Eckball doch noch per Kopf. Der Meister übernahm damit wieder die Tabellenführung.

Fazit
Wenn dieses Spiel repräsentativ ist, braucht es in Japan nicht allzu viel, um zweimal hintereinander Meister werden zu können. Auf dem Platz wars kein Highlight, auf den Rängen dafür aber ganz ordentlich, wenn auch etwas zu wenig „Eigenheiten“ zu beobachten waren. In Erinnerung bleibt zudem, wenn auch auf spezielle Art und Weise, dass am Eingang jeder Zuschauer – ungeachtet von Alter und/oder Geschlecht – mit einem halben Starterkit begrüsst wird, um sein Büromaterial in die Klubfarben zu tauchen.

Fussball in Japan: Verneigung statt La Ola

150 Jahre diplomatische Beziehungen Schweiz-Japan: Überall wird gefeiert, in St.Gallen gibt es gleich drei Ausstellungen dazu, nur der Fussball ist kein Thema. Ruben Schönenberger hat sich kürzlich in Japan umgesehen.

Vor rund 20 Jahren hat sich der japanische Fussball mit der J-League ein neues Gesicht gegeben. Die Professionalisierung der Strukturen, wie sie fast jedes Land früher oder später durchmacht, markierte eine Art Neuanfang.

Japanische Fussballvereine blicken zu einem grossen Teil auf eine Vergangenheit als Firmenmannschaft zurück. Mit der Einführung der J-League brach man auch im Vereinsnamen mit dieser Tradition. Vereinsnamen mit Markenintegration wie Mitsubishi Urawa oder Mazda SC machten Bezeichnungen Platz, die wohl aufgrund eines möglichst hohen Vermarktungspotenzials gewählt wurden.

Internationalisierungs-Strategie
So spielen in der höchsten japanischen Liga, der J-League 1, zurzeit Mannschaften wie Sanfrecce Hiroshima, Kawasaki Frontale oder Urawa Red Diamonds. Man macht sich dabei schon gar nicht mehr die Mühe, die Vereinsbezeichnungen in japanischer Schrift abzufassen. Eine offensichtliche Internationalisierungs-Strategie.

Genützt hat das alles bisher nur wenig. Die japanische Nationalmannschaft konnte zwar ab und an auf sich aufmerksam machen, was aber dabei der heimischen Liga zukommt, ist schwer zu sagen. Die Klubmannschaften sind zumindest in den westlichen Fussball-Hochburgen kaum ein Begriff.

Die Fans ihrerseits haben auch eine Art Internationalisierung hinter sich. Wer schon hierzulande bemängelt, dass den Fanszenen das (Orts-)Spezifische abgeht, dass kaum noch Eigenheiten bestehen oder dass alle Fanszenen sich immer mehr gleichen, wird diesen Eindruck in Japan erst recht erhalten. Fast alles scheint kopiert.

Die Zaunfahnen zeigen Namen von Fangruppen, dies so oder zumindest so ähnlich auch andernorts gibt. Bei Sanfrecce Hiroshima ist beispielsweise vom Commando Viola Ultra‘ Curva Ovest zu lesen. Das scheint kaum eine typisch japanische Bezeichnung zu sein.

Auch in den Fankurven dominieren Elemente, die man kennt: Vertikal gespannte Stoffbahnen erinnern an Südamerika, grosse Schwenkfahnen in Reih und Glied an die deutsche Bundesliga. Die Melodien der Fangesänge sind oft bekannt. YouTube scheint man in Japan gut zu kennen. Etwas abstrus wird es aber, wenn man ein «Forza Viola» aus hunderten japanischen Kehlen hört.

Trotzdem ist Fussball in Japan mehr als einfach nur ein aus verschiedenen Ländern zusammengewürfeltes Stadionerlebnis. Für viele scheint der Stadionbesuch mehr Familienausflug als Sportanlass zu sein. Man trifft früh ein, bringt Unmengen an Essen mit und kauft dann nochmal ebenso viel an den zahlreichen Verpflegungsständen ein. Essen scheint hier elementarer Bestandteil des Stadionerlebnisses zu sein.

Auf die Fans in den Kurven trifft das natürlich weniger zu. Auch hier wird 90 Minuten lang gesungen. Und obwohl der Stil nicht unbedingt von Originalität strotzt, ist doch eine Eigenheit zu beobachten: Die gegnerische Mannschaft wird zwar nicht gerade bejubelt, aber meist mit einem gewissen Respekt bedacht. Gesänge gegen die jeweils andere Mannschaft gibt es selten, dafür versuchen die Fans die Spieler immer mal wieder mit unkoordiniertem Lärm abzulenken, wenn diese in Tornähe kommt.

Geisterspiel gegen Rassismus
Trotz des grossen Respekts musste die japanische Liga unlängst einen Skandal verzeichnen, als Fans der Urawa Red Diamonds, der meistunterstützte Verein des Landes, am Eingang zu ihrem Block ein «Japanese Only»-Banner platzierten. Der japanische Verband verurteilte diesen Rassismus und bestrafte den Verein aus dem Tokioter Vorort mit einem Geisterspiel.

In einem englisch-sprachigen Blog zum japanischen Fussball wird die Meinung unterstützt, dass es sich dabei um einen rassistischen Vorfall handelte. Als Tourist könnte man sich gut vorstellen, dass die Fans der Urawa Reds auch einfach genug hatten von Touristen in ihrem Stimmungsblock. Sollte dies der Fall sein, hätten sie sich natürlich auf eine denkbar dumme Art und Weise dagegen gewehrt.

Die wohl auffälligste Eigenheit für (westeuropäische) Fussballtouristen zeigt sich aber nach dem Spiel: Wenn hierzulande die Mannschaft mit den eigenen Fans nach dem Spiel die Welle macht, bedankt sich eine japanische Mannschaft mit einer Verneigung für die Unterstützung.

(Dieser Text ist am 25. April 2014 im Blog des Kulturmagazins Saiten erschienen).

Wenn eine Stadt zu normal ist…

Es gibt Städte, die sind bekannt für ihre Schönheit. Andere sind für ihre Ausgangsmöglichkeiten beliebt. Wieder andere haben eine Vergangenheit, die an der Historie Interessierte anlockt. Und dann gibt es Ortschaften, in die eigentlich niemand will und die genau deshalb spannend sind. Das englische Oldham sollte eine solche Stadt sein.

Seit neuestem ist Oldham von Manchester mit einem Tram zu erreichen. Der Ort in der Agglomeration, der einen Bahnhof mit dem Namen Mumps ihr Eigen nennen darf, ist trotz ihrer Nähe zu einer der bekanntesten Städte Englands kaum jemandem bekannt. Wer sich dennoch als Tourist dahin aufmacht, muss sich entweder in der Hotelauswahl vertan haben – das einzige Hotel des Ortes, das mit Dreier-Zimmern aufwartet, wirbt zum Beispiel mit einem Blick auf die Skyline Manchesters – oder er hat vor Jahren über die bemerkenswerte Präsenz des Ortes in der englischen Doku-Soap „Cops with Cameras“ von der Stadt erfahren. Was für eine Stadt muss das wohl sein, in der zur Mittagszeit Betrunkene in Hauseingängen geweckt werden müssen? In der sich die Polizei immer wieder Verfolgungsjagden liefert? Die in Online-Bewertungen mit „Oldham is like having a Wee. When its happening you think ‘yeah this is great,’ but then when you look down, you see Wee on your shoes.“ beschrieben wird? Aus der ein junger Erwachsener im Vollsuff einen Flug nach Paris gebucht hat, davon aber erst am nächsten Morgen in einer Pariser Flughafen-Toilette erfahren hat? Nun, wer nicht hingeht, findets nicht raus. Zeit für einen Ortstermin.

Die Anreise gestaltet sich unkompliziert. Vom Flughafen Manchester direkt per Bus, von der Stadt Manchester direkt per Tram ins Zentrum von Oldham. Der erste Eindruck: Enttäuschend. Das Busterminal sieht ganz normal aus, das Hotel ist für die praktisch geschenkten £10 pro Person sehr ordentlich und auch die Einwohner machen einen ganz gewöhnlichen Eindruck. Vielleicht tummeln sich die Einwohner, die den Ort bekannt gemacht haben, ja beim Fussball? Auch Fehlanzeige. Die Stadionbesucher sind wie mittlerweile fast überall in England gesittet. In der Halbzeitpause werden an der Bar Frizzell gar vorbestelle Biere ohne Kontrolle einfach bereit gestellt. Auch geklaut wird hier nicht. Wenn es hier etwas Bemerkenswertes gibt, dann ist das die fehlende Tribüne auf der einen Längsseite des Stadions. Nun gut, dann muss die Stadt wohl abends erwachen. Schliesslich ist es Samstagabend und in der Ausgangsstrasse reiht sich ein Pub ans andere, unterbrochen nur von unzähligen Imbissständen, die auf so einfallsreiche Namen hören wie Florida Fried Chicken, New York Fried Chicken, Kansas Fried Chicken. Unzählige weitere Lokale scheinen Hühnerspezialitäten anzupreisen. Nur sind sie alle leer. Genauso wie die Pubs. Oldham scheint am Samstagabend wie ausgestorben. An den Preisen kanns nicht liegen. Das Pint Ale kostet sogar für englische Verhältnisse wenig.

Was bleibt nach diesem Ausflug? Entweder hat Oldham in den letzten Jahren eine Gentrifizierung erlebt, die alteingesessene Einwohner vertrieben hat, ohne die nach Manchester pendelnde Mittelklasse anzuziehen. Oder die Berichte über die Zustände im Ort waren von Beginn weg überzeichnet. So oder so: Von einem Besuch kann man gut absehen.

(Remo war auf dieser Reise auch dabei. Seinen Bericht gibts hier.)

Klar ist: Die Kommerzialisierung zerstört die grossen Gefühle der Fans. Ich sage absichtlich Fans, denn Zuschauer sind keine Fans. Was viele Investoren ignorieren: In der Privatwirtschaft gibt es Rendite, im Fussball gibt es Gefühle.

FC Luzern-Trainer Carlos Bernegger im aktuellen Zwölf.

Die SBB und Fussballfans

In der Berner Zeitung wurde SBB-Sprecher Christian Ginsig interviewt. Thema: Bei einem Zug durch einen Tunnel werden diverse Fenster beschädigt. Es stellt sich heraus, dass die SBB einen Schrank nicht richtig gesichert hat. Der Schaden am Zug muss also auf der Seite geschehen sein, der näher an der Tunnelwand liegt. Umso unverständlicher die Antwort des SBB-Sprechers, die ich hier ohne weiteren Kommentar wiedergebe:

„Wir sind vorerst von einer anderen Ursache ausgegangen. Wir glaubten, dass die Fenster an den vier Waggons beim Kreuzen mit einem Extrazug mit Fussballfans zerbrachen.“

Kein gutes Zeugnis für die KKJPD

Vergangene Woche veröffentlichte das Bundesgericht sein Urteil zur Beschwerde gegen die Verschärfungen des Hooligan-Konkordats. Zwei Punkte sind verfassungswidrig, bei vielen anderen Punkten gibt es interessante Erwägungen, die die Auslegung des Konkordats beeinflussen, vor allem aber wohl von Fans und Anwälten in kommenden Gerichtsverfahren aufgeführt werden müssen.

Einen Kommentar zum Urteil durfte ich für Saiten verfassen. Mein Fazit dort:

„Fakt ist aber auch, dass der direkte Eingriff des Bundesgerichts in den Konkordatstext der KKJPD kein gutes Zeugnis ausstellt. Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil zu einer verhältnismässigeren Anwendung des Konkordats führt, damit Fälle wie die jüngste Testspielabsage wegen unerklärlicher Auflagen verhindert werden können und Fussballfans sich ihr Recht nicht immer wieder vor Gericht erkämpfen müssen.“

Das Urteil ebenfalls kommentiert hat Michael Rockenbach in der TagesWoche:

„In den nächsten Monaten müssen die Konkordats-Kantone nun das Gegenteil beweisen: dass sie ihre Versprechen künftig halten und die Stadiongänger nicht länger mit unnötigen oder übertriebenen Massnahmen schikanieren.“

„Mit seinem Urteil hat das Bundesgericht der Staatsmacht deutlich die Grenzen aufgezeigt.“

„Mehr kann man von der abstrakten Normenkontrolle auch gar nicht erwarten, bei der die Verfassungsmässigkeit von kantonalen Erlassen überprüft wird.“

Ganz aktuell und wohl nur sehr am Rande von diesem Urteil beeinflusst, hat nun auch das Parlament des Kantons Basellandschaft die Verschärfungen des Konkordats bachab geschickt. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer, aber zumindest ist es in Sachen Hooligan-Konkordat nicht mehr tiefster Winter.

So viel zur Verhältnismässigkeit

Das Hooligan-Konkordat bzw. dessen Verschärfung ist seit einigen Monaten politisch aktuell. Einige Kantone haben es bereits angenommen, weitere stehen kurz davor. Abgelehnt wurde es bisher nur im Kanton Basel-Stadt, wobei auch in Basel-Landschaft eine Ablehnung zu erwarten ist und im Kanton Bern demnächst eine Volksabstimmung erfolgt. Zu den Kantonen, die das verschärfte Konkordat bereits angenommen hat, gehört der Kanton Zürich. Dort wird jetzt offensichtlich, welch seltsame Blüten die Gesetzesänderung treiben kann.

Der FC Zürich befindet sich in der Vorbereitungsphase auf die Rückrunde. Wie wohl alle Fussballclubs will er dazu Testspiele absolvieren. Ein erstes morgen Freitag gegen den FC Biel. Wie in der ganzen Schweiz üblich finden solche Spiele auf den Trainingsplätzen diverser Clubs statt. Bisher alles kein Problem. Der FCZ musste sein Testspiel nun aber ins aargauische Baden verlegen und noch dazu die Öffentlichkeit ausschliessen. Die Gründe:

Nun hat aber die Stadtpolizei die Bewilligung für dieses Testspiel von diversen Sicherheitsauflagen abhängig gemacht, die der FC Zürich aus verschiedenen Gründen so gar nicht erfüllen kann. Beispielsweise schreibt die Stadtpolizei auf dem Nebenplatz der Sportanlage Heerenschürli eine Sektorentrennung, den Einsatz eines Sicherheitsdienstes und ein kanalisiertes Einlassverfahren vor.

Glaubt man 20 Minuten, ist das eine direkte Folge des verschärften Konkordats.

Eigentlich sprechen die Gründe für sich. Völlig absurd wirds aber, wenn man die jetzt eingetroffene Situation mit den Aussagen diverser Konkordats-Befürworter kontrastiert, die im Abstimmungskampf gefallen sind. Um nur ein Beispiel zu nennen:

«Wir verlangen Respekt und Anstand von den Fans», sagte Fehr. Er versprach, dass Zürich die Massnahmen des Konkordats verhältnismässig umsetzen werde. […] Mario Fehr machte klar: «Die Massnahmen sind auf die Hochrisikospiele fokussiert.» Dabei werde es auch in Zukunft bleiben.

Verhältnismässig? Auf Hochrisikospiele fokussiert? Man müsste der Stadtpolizei Zürich schon fast danken, dass sie die Absurdität dieses Konkordates so greifbar macht.

Update (10. Januar 2014): Die Meldung des FCZ hat gestern auf Twitter für einige Diskussionen gesorgt. Beteiligt waren neben verschiedenen Interessierten auch der FCZ und die Stadtpolizei Zürich. Letztere stellte sich auf den Standpunkt, es hätte sich nur um minimste Auflagen gehandelt, die früher und bei anderen Clubs keine Probleme bereitet hätten. Dass das verschärfte Konkordat, das solche Bewilligungsspielchen überhaupt ermöglicht, erst seit einem halben Jahr in Kraft ist, wollte man lieber nicht so genau sagen, schliesslich wäre dadurch das Argument nutzlos, dass früher alles kein Problem gewesen sei.

Die Stadtpolizei bestätigte im Verlauf der Diskussion zudem die Existenz eines fünfseitigen Bewilligungsdokuments, wollte dieses aber nicht veröffentlichen. Der FCZ hätte dieses veröffentlichen können, wollte aber nur Medienschaffenden Zugang erlauben. Der Tages-Anzeiger nahm das “Angebot” an und veröffentlichte das Dokument. Zugegeben: Von Sektorentrennung steht in diesem Dokument nichts, wobei der Inhalt des erwähnten Sicherheitskonzepts zumindest mir nicht bekannt ist. Trotzdem zeigt die Bewilligung die Absurdität auf, mit der wir uns dank dem Konkordat befassen dürfen. Da ist die Rede von Sicherheitsrapporten am Spieltag, von der zur Verfügungstellung von Räumen zur Durchsuchung von Personen unter den Kleidern, von mobilen Videokameras (bei Bedarf), von kanalisierten Einlassverfahren… Das alles für ein völlig unproblematisches Testspiel an einem Freitagnachmittag vor vielleicht 200 ZuschauerInnen.

Angestachelt von der sorgsamen Arbeit der Zürcher Kollegen wollte sich die Aargauer Kantonspolizei offenbar nicht lumpen lassen. In aller Eile wollte man ein Bewilligungsprozedere für das mittlerweile nach Baden verlegte Spiel durchführen. Der FCZ sagte das Testspiel daraufhin ab. Es sei zum Abschluss nochmal erwähnt: Eine verhältnismässige Umsetzung hat man im Abstimmungskampf versprochen. Auch in allen anderen Kantonen und bei der KKJPD selbst hat man dieses Argument immer wieder betont. Nur: Eine verhältnismässige Umsetzung ist – sofern sie denn überhaupt gewünscht wäre – halt nur schwer möglich, wenn im Konkordat steht:

Art. 3a Bewilligungspflicht

1 Fussball- und Eishockeyspiele mit Beteiligung der Klubs der jeweils obersten Spielklasse der Männer sind bewilligungspflichtig.

Man darf gespannt sein, welche Absurditäten in Zukunft auftauchen, die den Charakter dieses Konkordats so schonungslos aufzeigen.

Warum man Fussball einfach lieben muss: Halbfinale im Aufstiegsplayoff der zweithöchsten englischen Liga | Leicester erhält in der Nachspielzeit einen Elfmeter; Verwerten sie, stehen sie im Finale | Der Torhüter von Watford hält den Elfmeter und den Nachschuss | Watford geht direkt zum Konter über, schiesst ein Tor und damit steht Watford im Finale

Basel tickt anders

Während in der ganzen Schweiz die Verschärfungen des “Hooligan-Konkordats” mit überwältigenden Mehrheiten – sowohl in den Parlamenten als auch in Volksabstimmungen – angenommen werden, ist in Basel-Land und vor allem in Basel-Stadt der Widerstand gross. Heute hat die Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission (JSSK) des Grossen Rats des Kantons Basel-Stadt die Verschärfungen abgelehnt.

Die Kommission lehnte die Verschärfungen nicht wegen eines Zufallentscheides ab. Auch nicht, weil sachfremde Überlegungen reingespielt hätten. In Basel-Stadt scheint man ganz einfach einen anderen Zugang zum Thema zu haben, trotz – oder gerade wegen – der grossen Bedeutung des FC Basel. Davon zeugt die heute veröffentlichte Medienmitteilung der Kommission. Einige Auszüge aus diesem Communiqué, das wohl die Fussballfans in allen anderen Kantonen neidisch machen dürfte:

„Mit ihrer Empfehlung an den Grossen Rat will sie ein positives Zeichen gegen die weitgehenden Verschärfungen … und für die konsensorientierte Fanpolitik setzen.“

„Die Mehrheit der JSSK erachtet die vagen Formulierungen der Bestimmungen, mit welchen den rechtsanwendenden Behörden ein zu grosser Ermessensspielraum eingeräumt wird, generell für problematisch.“

„Das regierungsrätliche Argument des einheitlichen Rechtsrahmens erweist sich zudem in den meisten Punkten als illusorisch, weil sich bei einem derart breiten Ermessensspielraum ohnehin in jedem Kanton eine andere Praxis herausbilden wird.“

„Gewisse Massnahmen wie das verlängerte Rayonverbot und die Meldeauflage erachtet eine Mehrheit der JSSK für rechtstaatlich fragwürdig oder in der Praxis gar nicht umsetzbar. Zusätzlich besteht die Befürchtung, dass ein Beitritt zum revidierten Konkordat zu erneuten Eskalationen auf Seiten der Fans führe, weil deren Anstrengungen nicht honoriert werden. Der ungünstigen Dynamik zwischen Fans und polizeilichen Behörden müsse deshalb mit einem klaren Signal Einhalt geboten werden.“

Schade, dass es nur in Basel zu solch klaren Worten kommt. Schade, dass nur in Basel klar kommuniziert wird, dass “ein klarer Nachweis für eine Tendenz der Zunahme der Gewalt” fehlt, ja dass sogar eine abnehmende Tendenz beobachtet werden kann.

Panikmache vs. Realität

Unter diesem Titel habe ich im Dezember 2012 und im Juni dieses Jahres schon gebloggt. Nun erscheint eine weitere Statistik, die belegt, dass Fussballspiele die Schweizer Bevölkerung offenbar doch nicht vor Angst erstarern lassen.

Die Swiss Football League informiert heute über eine Analyse der European Professional Football League. In dieser wurde der Zuschauerwachstum der letzten fünf Jahre untersucht. Abgesehen von Polen und der Ukraine ist in keinem Land der Zuschauerschnitt derart stark gewachsen wie in der Schweiz. Satte 6.6% beträgt das Wachstum in der Fünf-Jahres-Tendenz. Natürlich: Auch die Schweiz konnte – wie das ebenso für die Spitzenreiter Polen und Ukraine gilt – von neuen Stadien profitieren. Verbesserter Komfort ist offenbar für einige Matchbesucherinnen und -besucher ein wichtiger Aspekt. Trotzdem zeigt die Entwicklung eines auf: Die starke mediale Inszenierung von tatsächlichen und angeblichen Problemen rund um den Schweizer Fussball (und auch deren Überzeichnung) hindert die Bevölkerung nicht daran, Fussballspiele zu besuchen.

Das Fazit bleibt, wie es in den erwähnten beiden Posts schon Bestand hatte:

„Diejenigen, die kaum je ein Stadion von innen gesehen haben, wollen uns weismachen, wie gefährlich es rund um den Fussball ist.“

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