Nach dem im Saiten erschienen Artikel, der meine Fussballerlebnisse in Japan zusammengefasst hat, erschien heute der erste Spielbericht auf dem Blog “Zum Runden Leder”. Zwei weitere Spielberichte folgen.

Anreise
Auf dem Weg zum Stadion ist die grösste Hürde gleich zu Beginn zu meistern: Die Astram-Linie die direkt zum Stadion führt, startet an der Station „Hondori“. Auf den gleichen Namen hört eine Haltestelle der Strassenbahn, die den Hauptteil des öV im Stadtzentrum zu schlucken scheint. Wer davon ausgeht, dass es sich dementsprechend um die gleiche Haltestelle halten müsse, der wird umherirren. Wenn man aber mal erkannt hat, dass die gesuchte Haltestelle unter der Erde liegt, ist der Weg zum Stadion ein Klacks und dauertetwa 36 Minuten (das Wort „etwa“ scheint im japanischen öV nicht zu existieren). Bei der Station „Koiki-koen-mae“ angekommen, wäre das Stadion in wenigen Minuten zu Fuss erreichbar. Der Verein stellt jedoch Shuttlebusse, an deren Benützung man kaum vorbeikommt, weil von so vielen in Vereinsfarben gekleideten Personen der Weg dorthin gezeigt wird. Eine englische Wegbeschreibung gibt’s hier.

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Stadion
Sanfrecce Hiroshima trägt seine Heimspiele im Hiroshima Big Arch aus. Der Name lässt darauf schliessen, wie das Stadion aussieht. Ein grosser Bogen prägt die Haupttribüne, an welchem auch Teile der Beleuchtung angebracht sind. Warum das Stadion früher Hiroshima Park Main Stadium hiess, erschliesst sich dem Besucher – zumindest nachts – nicht. Warum es jetzt eigentlich Edion Stadium heisst hingegen schon, wenn man die Werbeplakate betrachtet. Beim Ticketkauf wählt man lediglich eine Kategorie aus, danach darf man sich seinen Platz selber aussuchen. In unserem Fall hiess das für um die 30 Franken auf der Gegentribüne Platz nehmen. Die beiden Fanlager befinden sich in den beiden Hintertorkurven, leider beide etwas mehr in Richtung Gegengerade, wodurch uns ein optimaler Blick auf die beiden Lager leider verwehrt blieb. Rund ums Feld verläuft eine der ungeliebten Laufbahnen.

Atmosphäre
Fussball ist auch in Japan beliebt. Oft steht es aber hinter Baseball nur an zweiter Stelle. So scheint es auch in Hiroshima zu sein. Während sich das lokale Baseball-Team hoher Beliebtheit erfreut, verirren sich zum Meister der letzten beiden Jahre gerade mal gut 12‘000 Zuschauer. Während ein beträchtlicher Teil davon vor allem damit beschäftigt ist, allerlei Speisen zu verzehren, befinden sich hinter den beiden Toren echte Stimmungsblöcke. Aus der Hauptstadt sind rund 200 Fans angereist, im Heimbereich machen rund 2‘000 Menschen ordentlich Lärm. Was auf den ersten Blick auffällt: Vieles ist kopiert. Es entsteht eine Mischung aus meist europäischen Melodien und einigen südamerikanischen Stilelementen. So hört man bekannte Melodien und sieht Zaunfahnen, die man so (oder zumindest so ähnlich) auch in anderen Ländern schon gesehen hat. Das Highlight hängt dabei auf der Seite von Hiroshima: Commando Viola Ultra‘ Curva Ovest. Den Gästen aus Tokyo hätten wir dank ihrer Melodien eigentlich etwas mehr Originalität attestiert, das vor der Partie gesungene „You’ll never walk alone“ lässt das aber leider nicht zu.

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Spiel
Eigentlich sollte die Begegnung ganz anständigen Fussball bieten. Die Gäste aus Tokyo bewegen sich zwar nur im Mittelfeld der höchsten japanischen Liga, der Gastgeber aber konnte in den letzten beiden Jahren die Meisterschaft gewinnen. Man merkts der Einleitung an, so gut war der Fussball nicht. Hiroshimas Trainer Moriyasu liess nur einen nominellen Stürmer auflaufen. Zwei der sechs aufgestellten Mittelfeldspieler schienen zwar eine offensive Rolle einnehmen zu wollen, die Verteidiger passten sich aber meist lieber zuerst gefühlte hundert Mal gegenseitig den Ball zu, bevors einige Meter nach vorne ging. Tokyo versuchte zwar offensiver zu agieren, waren aber zu wenig im Ballbesitz um das wirklich in die Tat umzusetzen. Chancen blieben entsprechend Mangelware, obwohl der Schiedsrichterassistent tatkräftig mithalf und in der ersten halben Stunde die Anwendung der Abseitsregel konsequent verweigerte. Hiroshimas Coach schien sich mit dem Unentschieden anfreunden zu können: er wechselte gegen Ende des Spiels sogar seinen einzigen nominellen Stürmer aus. Die Mannschaft aber wollte dann doch noch etwas mehr zeigen. In der 80. Minute verwertete Chiba – ein Verteidiger – nach einem Eckball doch noch per Kopf. Der Meister übernahm damit wieder die Tabellenführung.

Fazit
Wenn dieses Spiel repräsentativ ist, braucht es in Japan nicht allzu viel, um zweimal hintereinander Meister werden zu können. Auf dem Platz wars kein Highlight, auf den Rängen dafür aber ganz ordentlich, wenn auch etwas zu wenig „Eigenheiten“ zu beobachten waren. In Erinnerung bleibt zudem, wenn auch auf spezielle Art und Weise, dass am Eingang jeder Zuschauer – ungeachtet von Alter und/oder Geschlecht – mit einem halben Starterkit begrüsst wird, um sein Büromaterial in die Klubfarben zu tauchen.