Ein Wort nach dem anderen

Schlagwort: Verhältnismässigkeit

Kein gutes Zeugnis für die KKJPD

Vergangene Woche veröffentlichte das Bundesgericht sein Urteil zur Beschwerde gegen die Verschärfungen des Hooligan-Konkordats. Zwei Punkte sind verfassungswidrig, bei vielen anderen Punkten gibt es interessante Erwägungen, die die Auslegung des Konkordats beeinflussen, vor allem aber wohl von Fans und Anwälten in kommenden Gerichtsverfahren aufgeführt werden müssen.

Einen Kommentar zum Urteil durfte ich für Saiten verfassen. Mein Fazit dort:

„Fakt ist aber auch, dass der direkte Eingriff des Bundesgerichts in den Konkordatstext der KKJPD kein gutes Zeugnis ausstellt. Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil zu einer verhältnismässigeren Anwendung des Konkordats führt, damit Fälle wie die jüngste Testspielabsage wegen unerklärlicher Auflagen verhindert werden können und Fussballfans sich ihr Recht nicht immer wieder vor Gericht erkämpfen müssen.“

Das Urteil ebenfalls kommentiert hat Michael Rockenbach in der TagesWoche:

„In den nächsten Monaten müssen die Konkordats-Kantone nun das Gegenteil beweisen: dass sie ihre Versprechen künftig halten und die Stadiongänger nicht länger mit unnötigen oder übertriebenen Massnahmen schikanieren.“

„Mit seinem Urteil hat das Bundesgericht der Staatsmacht deutlich die Grenzen aufgezeigt.“

„Mehr kann man von der abstrakten Normenkontrolle auch gar nicht erwarten, bei der die Verfassungsmässigkeit von kantonalen Erlassen überprüft wird.“

Ganz aktuell und wohl nur sehr am Rande von diesem Urteil beeinflusst, hat nun auch das Parlament des Kantons Basellandschaft die Verschärfungen des Konkordats bachab geschickt. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer, aber zumindest ist es in Sachen Hooligan-Konkordat nicht mehr tiefster Winter.

So viel zur Verhältnismässigkeit

Das Hooligan-Konkordat bzw. dessen Verschärfung ist seit einigen Monaten politisch aktuell. Einige Kantone haben es bereits angenommen, weitere stehen kurz davor. Abgelehnt wurde es bisher nur im Kanton Basel-Stadt, wobei auch in Basel-Landschaft eine Ablehnung zu erwarten ist und im Kanton Bern demnächst eine Volksabstimmung erfolgt. Zu den Kantonen, die das verschärfte Konkordat bereits angenommen hat, gehört der Kanton Zürich. Dort wird jetzt offensichtlich, welch seltsame Blüten die Gesetzesänderung treiben kann.

Der FC Zürich befindet sich in der Vorbereitungsphase auf die Rückrunde. Wie wohl alle Fussballclubs will er dazu Testspiele absolvieren. Ein erstes morgen Freitag gegen den FC Biel. Wie in der ganzen Schweiz üblich finden solche Spiele auf den Trainingsplätzen diverser Clubs statt. Bisher alles kein Problem. Der FCZ musste sein Testspiel nun aber ins aargauische Baden verlegen und noch dazu die Öffentlichkeit ausschliessen. Die Gründe:

Nun hat aber die Stadtpolizei die Bewilligung für dieses Testspiel von diversen Sicherheitsauflagen abhängig gemacht, die der FC Zürich aus verschiedenen Gründen so gar nicht erfüllen kann. Beispielsweise schreibt die Stadtpolizei auf dem Nebenplatz der Sportanlage Heerenschürli eine Sektorentrennung, den Einsatz eines Sicherheitsdienstes und ein kanalisiertes Einlassverfahren vor.

Glaubt man 20 Minuten, ist das eine direkte Folge des verschärften Konkordats.

Eigentlich sprechen die Gründe für sich. Völlig absurd wirds aber, wenn man die jetzt eingetroffene Situation mit den Aussagen diverser Konkordats-Befürworter kontrastiert, die im Abstimmungskampf gefallen sind. Um nur ein Beispiel zu nennen:

«Wir verlangen Respekt und Anstand von den Fans», sagte Fehr. Er versprach, dass Zürich die Massnahmen des Konkordats verhältnismässig umsetzen werde. […] Mario Fehr machte klar: «Die Massnahmen sind auf die Hochrisikospiele fokussiert.» Dabei werde es auch in Zukunft bleiben.

Verhältnismässig? Auf Hochrisikospiele fokussiert? Man müsste der Stadtpolizei Zürich schon fast danken, dass sie die Absurdität dieses Konkordates so greifbar macht.

Update (10. Januar 2014): Die Meldung des FCZ hat gestern auf Twitter für einige Diskussionen gesorgt. Beteiligt waren neben verschiedenen Interessierten auch der FCZ und die Stadtpolizei Zürich. Letztere stellte sich auf den Standpunkt, es hätte sich nur um minimste Auflagen gehandelt, die früher und bei anderen Clubs keine Probleme bereitet hätten. Dass das verschärfte Konkordat, das solche Bewilligungsspielchen überhaupt ermöglicht, erst seit einem halben Jahr in Kraft ist, wollte man lieber nicht so genau sagen, schliesslich wäre dadurch das Argument nutzlos, dass früher alles kein Problem gewesen sei.

Die Stadtpolizei bestätigte im Verlauf der Diskussion zudem die Existenz eines fünfseitigen Bewilligungsdokuments, wollte dieses aber nicht veröffentlichen. Der FCZ hätte dieses veröffentlichen können, wollte aber nur Medienschaffenden Zugang erlauben. Der Tages-Anzeiger nahm das “Angebot” an und veröffentlichte das Dokument. Zugegeben: Von Sektorentrennung steht in diesem Dokument nichts, wobei der Inhalt des erwähnten Sicherheitskonzepts zumindest mir nicht bekannt ist. Trotzdem zeigt die Bewilligung die Absurdität auf, mit der wir uns dank dem Konkordat befassen dürfen. Da ist die Rede von Sicherheitsrapporten am Spieltag, von der zur Verfügungstellung von Räumen zur Durchsuchung von Personen unter den Kleidern, von mobilen Videokameras (bei Bedarf), von kanalisierten Einlassverfahren… Das alles für ein völlig unproblematisches Testspiel an einem Freitagnachmittag vor vielleicht 200 ZuschauerInnen.

Angestachelt von der sorgsamen Arbeit der Zürcher Kollegen wollte sich die Aargauer Kantonspolizei offenbar nicht lumpen lassen. In aller Eile wollte man ein Bewilligungsprozedere für das mittlerweile nach Baden verlegte Spiel durchführen. Der FCZ sagte das Testspiel daraufhin ab. Es sei zum Abschluss nochmal erwähnt: Eine verhältnismässige Umsetzung hat man im Abstimmungskampf versprochen. Auch in allen anderen Kantonen und bei der KKJPD selbst hat man dieses Argument immer wieder betont. Nur: Eine verhältnismässige Umsetzung ist – sofern sie denn überhaupt gewünscht wäre – halt nur schwer möglich, wenn im Konkordat steht:

Art. 3a Bewilligungspflicht

1 Fussball- und Eishockeyspiele mit Beteiligung der Klubs der jeweils obersten Spielklasse der Männer sind bewilligungspflichtig.

Man darf gespannt sein, welche Absurditäten in Zukunft auftauchen, die den Charakter dieses Konkordats so schonungslos aufzeigen.

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