Ein Wort nach dem anderen

Kategorie: Politik (Seite 1 von 2)

(Un)Gesunde Ohrfeigen

Die Fangewalt in der Schweiz soll zugenommen haben, berichteten in den letzten Tagen verschiedene Medien. Man könnte diese Zahlen anzweifeln. Insbesondere in der SonntagsZeitung, die die Zahlen zum ersten Mal publik machte, wird viel vermischt. Zum Beispiel: Die Straftatbestände, die für den Anstieg verantwortlich sind, sind nicht gerade die stichfestesten und ein Anstieg von total 228 auf 258 Straftaten im Jahr bei etlichen Fussball- und Eishockeyspielen bedeutet auch nicht gerade den Untergang des Abendlands. Ich verzichte aber darauf, auf die Zahlen genauer einzugehen.

Festhalten möchte ich aber Folgendes: In einem Artikel des 20Minuten ist unter anderem zu erfahren, dass insbesondere der Straftatbestand “Tätlichkeit” oft vorkommt, ganze 85 von insgesamt 258 Straftaten sind so erfasst (rund ein Drittel). Als Tätlichkeit gelten nur Angriffe und dergleichen, die “keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben”. Dazu gehören z.B. Ohrfeigen. Im selben 20Minuten-Artikel echauffiert sich auch SVP-Nationalrat Thomas Hurter über die angeblich zunehmende Fangewalt:

„Weitere Ursachen liegen laut Hurter beim Internet, vor allem bei Portalen wie Facebook und Twitter: «Hegt jemand einen Groll gegen dich, wirst du heute sofort öffentlich an den Pranger gestellt.» Diese Art von Angriff fördere andere Aggressionen als eine gesunde Ohrfeige.” (Hervorhebung durch mich)

Die SBB und Fussballfans

In der Berner Zeitung wurde SBB-Sprecher Christian Ginsig interviewt. Thema: Bei einem Zug durch einen Tunnel werden diverse Fenster beschädigt. Es stellt sich heraus, dass die SBB einen Schrank nicht richtig gesichert hat. Der Schaden am Zug muss also auf der Seite geschehen sein, der näher an der Tunnelwand liegt. Umso unverständlicher die Antwort des SBB-Sprechers, die ich hier ohne weiteren Kommentar wiedergebe:

„Wir sind vorerst von einer anderen Ursache ausgegangen. Wir glaubten, dass die Fenster an den vier Waggons beim Kreuzen mit einem Extrazug mit Fussballfans zerbrachen.“

Die Ja-Stimmen zur Masseneinwanderungsinitiative ins Verhältnis gesetzt zum Ausländeranteil im jeweiligen Bezirk.

UPDATE: Offenbar hatte da schon jemand die gleiche Idee bzw. Ahnung und hats dann grafisch auch noch schöner umgesetzt.

Kein gutes Zeugnis für die KKJPD

Vergangene Woche veröffentlichte das Bundesgericht sein Urteil zur Beschwerde gegen die Verschärfungen des Hooligan-Konkordats. Zwei Punkte sind verfassungswidrig, bei vielen anderen Punkten gibt es interessante Erwägungen, die die Auslegung des Konkordats beeinflussen, vor allem aber wohl von Fans und Anwälten in kommenden Gerichtsverfahren aufgeführt werden müssen.

Einen Kommentar zum Urteil durfte ich für Saiten verfassen. Mein Fazit dort:

„Fakt ist aber auch, dass der direkte Eingriff des Bundesgerichts in den Konkordatstext der KKJPD kein gutes Zeugnis ausstellt. Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil zu einer verhältnismässigeren Anwendung des Konkordats führt, damit Fälle wie die jüngste Testspielabsage wegen unerklärlicher Auflagen verhindert werden können und Fussballfans sich ihr Recht nicht immer wieder vor Gericht erkämpfen müssen.“

Das Urteil ebenfalls kommentiert hat Michael Rockenbach in der TagesWoche:

„In den nächsten Monaten müssen die Konkordats-Kantone nun das Gegenteil beweisen: dass sie ihre Versprechen künftig halten und die Stadiongänger nicht länger mit unnötigen oder übertriebenen Massnahmen schikanieren.“

„Mit seinem Urteil hat das Bundesgericht der Staatsmacht deutlich die Grenzen aufgezeigt.“

„Mehr kann man von der abstrakten Normenkontrolle auch gar nicht erwarten, bei der die Verfassungsmässigkeit von kantonalen Erlassen überprüft wird.“

Ganz aktuell und wohl nur sehr am Rande von diesem Urteil beeinflusst, hat nun auch das Parlament des Kantons Basellandschaft die Verschärfungen des Konkordats bachab geschickt. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer, aber zumindest ist es in Sachen Hooligan-Konkordat nicht mehr tiefster Winter.

So viel zur Verhältnismässigkeit

Das Hooligan-Konkordat bzw. dessen Verschärfung ist seit einigen Monaten politisch aktuell. Einige Kantone haben es bereits angenommen, weitere stehen kurz davor. Abgelehnt wurde es bisher nur im Kanton Basel-Stadt, wobei auch in Basel-Landschaft eine Ablehnung zu erwarten ist und im Kanton Bern demnächst eine Volksabstimmung erfolgt. Zu den Kantonen, die das verschärfte Konkordat bereits angenommen hat, gehört der Kanton Zürich. Dort wird jetzt offensichtlich, welch seltsame Blüten die Gesetzesänderung treiben kann.

Der FC Zürich befindet sich in der Vorbereitungsphase auf die Rückrunde. Wie wohl alle Fussballclubs will er dazu Testspiele absolvieren. Ein erstes morgen Freitag gegen den FC Biel. Wie in der ganzen Schweiz üblich finden solche Spiele auf den Trainingsplätzen diverser Clubs statt. Bisher alles kein Problem. Der FCZ musste sein Testspiel nun aber ins aargauische Baden verlegen und noch dazu die Öffentlichkeit ausschliessen. Die Gründe:

Nun hat aber die Stadtpolizei die Bewilligung für dieses Testspiel von diversen Sicherheitsauflagen abhängig gemacht, die der FC Zürich aus verschiedenen Gründen so gar nicht erfüllen kann. Beispielsweise schreibt die Stadtpolizei auf dem Nebenplatz der Sportanlage Heerenschürli eine Sektorentrennung, den Einsatz eines Sicherheitsdienstes und ein kanalisiertes Einlassverfahren vor.

Glaubt man 20 Minuten, ist das eine direkte Folge des verschärften Konkordats.

Eigentlich sprechen die Gründe für sich. Völlig absurd wirds aber, wenn man die jetzt eingetroffene Situation mit den Aussagen diverser Konkordats-Befürworter kontrastiert, die im Abstimmungskampf gefallen sind. Um nur ein Beispiel zu nennen:

«Wir verlangen Respekt und Anstand von den Fans», sagte Fehr. Er versprach, dass Zürich die Massnahmen des Konkordats verhältnismässig umsetzen werde. […] Mario Fehr machte klar: «Die Massnahmen sind auf die Hochrisikospiele fokussiert.» Dabei werde es auch in Zukunft bleiben.

Verhältnismässig? Auf Hochrisikospiele fokussiert? Man müsste der Stadtpolizei Zürich schon fast danken, dass sie die Absurdität dieses Konkordates so greifbar macht.

Update (10. Januar 2014): Die Meldung des FCZ hat gestern auf Twitter für einige Diskussionen gesorgt. Beteiligt waren neben verschiedenen Interessierten auch der FCZ und die Stadtpolizei Zürich. Letztere stellte sich auf den Standpunkt, es hätte sich nur um minimste Auflagen gehandelt, die früher und bei anderen Clubs keine Probleme bereitet hätten. Dass das verschärfte Konkordat, das solche Bewilligungsspielchen überhaupt ermöglicht, erst seit einem halben Jahr in Kraft ist, wollte man lieber nicht so genau sagen, schliesslich wäre dadurch das Argument nutzlos, dass früher alles kein Problem gewesen sei.

Die Stadtpolizei bestätigte im Verlauf der Diskussion zudem die Existenz eines fünfseitigen Bewilligungsdokuments, wollte dieses aber nicht veröffentlichen. Der FCZ hätte dieses veröffentlichen können, wollte aber nur Medienschaffenden Zugang erlauben. Der Tages-Anzeiger nahm das “Angebot” an und veröffentlichte das Dokument. Zugegeben: Von Sektorentrennung steht in diesem Dokument nichts, wobei der Inhalt des erwähnten Sicherheitskonzepts zumindest mir nicht bekannt ist. Trotzdem zeigt die Bewilligung die Absurdität auf, mit der wir uns dank dem Konkordat befassen dürfen. Da ist die Rede von Sicherheitsrapporten am Spieltag, von der zur Verfügungstellung von Räumen zur Durchsuchung von Personen unter den Kleidern, von mobilen Videokameras (bei Bedarf), von kanalisierten Einlassverfahren… Das alles für ein völlig unproblematisches Testspiel an einem Freitagnachmittag vor vielleicht 200 ZuschauerInnen.

Angestachelt von der sorgsamen Arbeit der Zürcher Kollegen wollte sich die Aargauer Kantonspolizei offenbar nicht lumpen lassen. In aller Eile wollte man ein Bewilligungsprozedere für das mittlerweile nach Baden verlegte Spiel durchführen. Der FCZ sagte das Testspiel daraufhin ab. Es sei zum Abschluss nochmal erwähnt: Eine verhältnismässige Umsetzung hat man im Abstimmungskampf versprochen. Auch in allen anderen Kantonen und bei der KKJPD selbst hat man dieses Argument immer wieder betont. Nur: Eine verhältnismässige Umsetzung ist – sofern sie denn überhaupt gewünscht wäre – halt nur schwer möglich, wenn im Konkordat steht:

Art. 3a Bewilligungspflicht

1 Fussball- und Eishockeyspiele mit Beteiligung der Klubs der jeweils obersten Spielklasse der Männer sind bewilligungspflichtig.

Man darf gespannt sein, welche Absurditäten in Zukunft auftauchen, die den Charakter dieses Konkordats so schonungslos aufzeigen.

Basel tickt anders

Während in der ganzen Schweiz die Verschärfungen des “Hooligan-Konkordats” mit überwältigenden Mehrheiten – sowohl in den Parlamenten als auch in Volksabstimmungen – angenommen werden, ist in Basel-Land und vor allem in Basel-Stadt der Widerstand gross. Heute hat die Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission (JSSK) des Grossen Rats des Kantons Basel-Stadt die Verschärfungen abgelehnt.

Die Kommission lehnte die Verschärfungen nicht wegen eines Zufallentscheides ab. Auch nicht, weil sachfremde Überlegungen reingespielt hätten. In Basel-Stadt scheint man ganz einfach einen anderen Zugang zum Thema zu haben, trotz – oder gerade wegen – der grossen Bedeutung des FC Basel. Davon zeugt die heute veröffentlichte Medienmitteilung der Kommission. Einige Auszüge aus diesem Communiqué, das wohl die Fussballfans in allen anderen Kantonen neidisch machen dürfte:

„Mit ihrer Empfehlung an den Grossen Rat will sie ein positives Zeichen gegen die weitgehenden Verschärfungen … und für die konsensorientierte Fanpolitik setzen.“

„Die Mehrheit der JSSK erachtet die vagen Formulierungen der Bestimmungen, mit welchen den rechtsanwendenden Behörden ein zu grosser Ermessensspielraum eingeräumt wird, generell für problematisch.“

„Das regierungsrätliche Argument des einheitlichen Rechtsrahmens erweist sich zudem in den meisten Punkten als illusorisch, weil sich bei einem derart breiten Ermessensspielraum ohnehin in jedem Kanton eine andere Praxis herausbilden wird.“

„Gewisse Massnahmen wie das verlängerte Rayonverbot und die Meldeauflage erachtet eine Mehrheit der JSSK für rechtstaatlich fragwürdig oder in der Praxis gar nicht umsetzbar. Zusätzlich besteht die Befürchtung, dass ein Beitritt zum revidierten Konkordat zu erneuten Eskalationen auf Seiten der Fans führe, weil deren Anstrengungen nicht honoriert werden. Der ungünstigen Dynamik zwischen Fans und polizeilichen Behörden müsse deshalb mit einem klaren Signal Einhalt geboten werden.“

Schade, dass es nur in Basel zu solch klaren Worten kommt. Schade, dass nur in Basel klar kommuniziert wird, dass “ein klarer Nachweis für eine Tendenz der Zunahme der Gewalt” fehlt, ja dass sogar eine abnehmende Tendenz beobachtet werden kann.

Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt

Gegen die Verschärfung des “Hooligan-Konkordats” hat eine Gruppe von Fussball-Fans Beschwerde eingereicht. Als Begleitung zum Artikel darüber erschien im St.Galler Tagblatt auch ein Interview mit Roger Schneeberger (Generalsekretär der KKJPD). Eine interessante Passage daraus:

Tagblatt: Die Gegner des Konkordats werfen der KKJPD vor, auf Repression statt Prävention zu setzen.

Schneeberger: Das stimmt nicht! Das Konkordat enthält nur präventive Massnahmen: Ein Rayonverbot, die Meldepflicht und alkoholfreies Bier bei Hochrisikospielen sind alles Instrumente zur Gewaltprävention. Und in den Empfehlungen zur Umsetzung des Konkordats verlangen wir von jedem Club, dass er ein Fan- und Präventionskonzept vorlegt.

Brauchts dazu einen Kommentar?

E.J. Dionne Jr.

„Forgive me for noting that conservatives seem to believe that the rich will work harder if we give them more, and the poor will work harder if we give them less.“
— E.J. Dionne Jr. (Washington Post)

Update zu „Das nennt ihr Problemlösung?“

Am 24. April hat der Kantonsrat in erster Lesung die Verschärfung des sogenannten Hooligan-Konkordats angenommen. Inzwischen wurde der Kantonsrat neu gewählt. In der ersten Session in neuer Zusammensetzung wurde die Verschärfung auch in zweiter Lesung abgesegnet. Nun jedoch mit zusätzlichen Nein-Stimmen. Ein Blick auf die Daten.

Die erste Lesung am 24. April war ernüchternd. Warum dieses verschärfte Konkordat niemals hätte angenommen werden dürfen, ist in einem früheren Blogpost zu finden. Ebenfalls zu finden ist in diesem eine Auflistung der Kantonsrätinnen und Kantonsräte, die die Verschärfung abgelehnt haben. Es waren gerade mal acht. In der zweiten Lesung und damit in der neuen Zusammensetzung warens immerhin schon 16 (11x SP, 4x Grüne, 1x glp):

  • Ludwig Altenburger, Buchs, SP
  • Daniel Baumgartner, Flawil, SP
  • Ruedi Blumer, Gossau, SP
  • Claudia Friedl, St.Gallen, SP
  • Meinrad Gschwend, Altstätten, Grüne
  • Daniel Gut, Buchs, SP
  • Agnes Haag, St.Gallen, SP
  • Peter Hartmann, Flawil, SP
  • Etrit Hasler, St.Gallen, SP
  • Susanne Hoare-Widmer, St.Gallen, Grüne
  • Maria Huber, Rorschach, SP
  • Karin Ilg, St.Gallen, glp
  • Dario Sulzer, Wil, SP
  • Bettina Surber, St.Gallen, SP
  • Franziska Wenk, St.Gallen, Grüne
  • Guido Wick, Wil, Grüne

Acht Kantonsrätinnen und Kantonsräte haben nicht abgestimmt, die restlichen 96 haben zugestimmt (zu allen Angaben). Franz Mächler (Wil, FDP) ist als einziger von der 1. zur 2. Lesung ins Ja-Lager gewechselt. Vom Ja- ins Nein-Lager gewechselt haben Ludwig Altenburger, Daniel Baumgartner und Meinrad Gschwend. Fünf der 16 Nein-Stimmen kamen durch neue Kantonsrätinnen und Kantonsräte zustande.

Auch wenn das Resultat in der zweiten Lesung etwas besser wurde, es ist immer noch brutal und lässt tief blicken, wie Politik im Kanton St.Gallen zurzeit funktioniert. Im krassen Gegensatz zu anderen Kantonen wie z.B. Basel-Stadt, wo das Konkordat bisher noch nicht mal bis in den Kantonsrat kam.

FDP scheitert mit „Bürokratie-Stopp“-Initiative

Am 12. April reichte die FDP bei der Bundeskanzlei nach einem Schlussspurt knapp über 100’000 Unterschriften ein. Für die Medien war die Sache damit gegessen. Nur wenige waren sich bewusst, dass es knapp werden würde, wie ich in einem früheren Blogpost dargelegt hatte.

Nun hat, wie der Tagesanzeiger berichtet, die Bundeskanzlei heute bekannt gegeben, dass die erforderlichen 100’000 Unterschriften nicht zustande gekommen sind. Von den eingereichten 100’649 Unterschriften waren nur 97’537 gültig. Damit fielen weit mehr Unterschriften weg als im Schnitt. Wäre die FDP-Initiative durchschnittlich gewesen, hätten „nur“ 24 Unterschriften gefehlt, wie ich im erwähnten Blogpost ausgerechnet hatte.

Die FDP wird sich Gedanken machen müssen…

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